Dreiborner Hochfläche – Weite, Geschichte, Erinnerung
Weite, die bleibt

Mein Blick schweift in die Ferne. Die Weite scheint unendlich.
Graslandschaften ziehen sich bis zum Horizont, durchbrochen von kleinen Wald- und Buschgruppen, durchzogen von tiefen Tälern, und doch geht die Hochebene weiter, immer weiter.
Die Dreiborner Hochfläche, Eifel.
Ein Ort, der für mich Heimat war – und in gewisser Weise immer bleiben wird.
Ich bin hier oft unterwegs gewesen, beinahe täglich. Spazierengehen wurde zum Innehalten. Zum Atemholen. Zur Begegnung mit etwas, das größer ist als ich selbst. Zur Zeit der Ginsterblüte leuchtete das Land wie aus Gold gegossen – „Eifelgold“, wie man hier sagt. Ich liebte diese Tage. Die Ruhe. Die Stille. Die Weite.

Heute lebe ich wieder in Franken. Zwei Jahre ist es her, dass ich gegangen bin.
Und doch klingt dieser Ort noch in mir nach. Nicht als Sehnsuchtsort – sondern als Teil von mir.
Manche Orte gehen nicht verloren, nur weil man sie verlässt.
Vom Sperrgebiet zur Schutzzone

Dass die Dreiborner Hochfläche einmal über ein halbes Jahrhundert lang militärisches Sperrgebiet war, ist heute kaum noch vorstellbar. Zwischen Ginster, Greifvögeln und grasenden Hirschrudeln spürt man vor allem eines: Ruhe.
Und doch war die Weite, die mich so oft empfangen hat, lange nicht zugänglich. Jahrzehntelang wurde hier geübt, geschossen, marschiert. Doch gerade diese Abschirmung hat etwas Ungewöhnliches bewirkt: Die Natur bekam Zeit. Zeit, sich zurückzuziehen. Zeit, sich zu wandeln.
Was einst eine bewirtschaftete Kulturlandschaft war, wurde durch jahrzehntelangen Stillstand zu einem ganz eigenen Lebensraum.


Heute ist die Dreiborner Hochfläche Teil des Nationalparks Eifel – und einer der wertvollsten Rückzugsorte für viele seltene Arten: Schwarzstörche, Wildkatzen, Kormorane, Uhu. Ein Ort, der wie geschaffen ist für Artenvielfalt – und für das stille Staunen.
Ein Tag im Eifelgold
Ich erinnere mich gut an einen Tag, an dem ich mich nur schwer aufraffen konnte. Es hatte tagelang geregnet, alles war nass, grau, schwer. Ich wollte eigentlich nur eine kleine Runde drehen – ein paar Schritte, mehr nicht.
Doch kaum war ich auf der Dreiborner Hochfläche, veränderte sich alles.
Die Weite lag vor mir, der Himmel zerriss in Blau und Weiß, der Ginster blühte in leuchtendem Gelb – Eifelgold in seiner reinsten Form. Die schmalen Pfade zogen sich durch die Landschaft wie gemalt, und mit jedem Schritt wich die Müdigkeit. Stattdessen kam etwas anderes: Freude. Staunen. Bewegung.
Was als kurzer Spaziergang begann, wurde eine meiner schönsten Touren dort oben: 21 Kilometer, 570 Höhenmeter, über die weite Hochfläche, durch die Täler, vorbei an der Wüstung Wollseifen und über die eindrucksvolle Ordensburg Vogelsang zurück.
Ich war wie im Rausch – nicht wegen der Strecke, sondern wegen dieser Mischung aus Licht, Farbe, Geschichte und Stille.
Solche Tage vergisst man nicht. Sie brennen sich ein wie ein Sonnenstrahl im Nebel.
Hier geht es zu meiner Tour auf Komoot
Wüstung Wollseifen – Spuren einer verschwundenen Heimat
Wer über die Dreiborner Hochfläche wandert, trifft irgendwann auf einen Ort, der stiller nicht sein könnte – und gleichzeitig schwerer.
Wollseifen: Eine Wüstung, wie man hier sagt. Ein aufgegebener Ort. Doch Wollseifen wurde nicht verlassen – es wurde geräumt. 1946 musste die Bevölkerung ihr Dorf verlassen. Die britische Besatzungsmacht richtete auf der Hochfläche einen Truppenübungsplatz ein. Aus Familienland wurde Militärgelände. Häuser wurden zerstört oder dem Verfall überlassen. Heute stehen noch einige Ruinen – Reste der Schule, der Kirche, der Straßen. Hier liegt kein Pathos. Kein Spektakel. Nur das, was bleibt, wenn Menschen gehen müssen: Leere mit Geschichte.
Wollseifen
Ein Ort, der nicht einfach verlassen, sondern aufgegeben werden musste. Die Wüstung erinnert bis heute an die Geschichte derer, die nicht zurückkehren durften.
Ordensburg Vogelsang – Machtarchitektur und Mahnung
Nicht weit von Wollseifen erhebt sich Vogelsang – ein Ort, der gleichermaßen beeindruckt wie bedrückt. Die NS-Ordensburg wurde in den 1930er Jahren errichtet, als Schulungsstätte für die „Führer der Zukunft“. Monumental, machtvoll, brutal. Was hier geplant und propagiert wurde, hatte nichts Gutes im Sinn.

Heute ist Vogelsang ein Ort der Erinnerung und Aufklärung. Ein Ort, an dem man durch riesige Hallen geht, an Reliefs vorbeikommt, auf Terrassen steht – und spürt, wie Geschichte hier in Stein gegossen wurde.
Ich habe dort oft gestanden, auf der Aussichtsterrasse, den Blick über Urftsee und Hänge. Und mich gefragt: Wie viel Wandel ein Ort tragen kann.

Dass heute wieder Menschen über die Hochfläche wandern, entlang an Ginstern, Hirschen und stillen Wegen – das ist ein Kontrast, der mich jedes Mal aufs Neue bewegt.
Vogelsang IP
Die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang wurde zu einem internationalen Platz des Lernens und Gedenkens umgestaltet. Aus einem Ort nationalsozialistischer Indoktrination wurde ein Zentrum für Demokratie, Menschenrechte und Erinnerungskultur.
Fazit: Ein Ort, der bleibt
Die Dreiborner Hochfläche in der Eifel ist für mich mehr als eine Landschaft.
Sie ist Erinnerung, Bewegung, Stille und Wandel zugleich.

Ich habe hier gelernt, was Weite wirklich bedeutet. Wie sich Geschichte anfühlt, wenn man durch sie hindurchwandert. Und wie sehr Natur ein Raum sein kann – für Heilung, für Nachklang, für das, was in einem selbst passiert.
Auch wenn ich heute wieder in Franken lebe – dieser Ort bleibt in mir.
Nicht als Sehnsuchtsbild, sondern als Teil meiner Geschichte.
Ein Platz, der mich geprägt hat. Ein Platz, der mir gezeigt hat, wie viel entstehen kann, wenn man sich einfach auf den Weg macht.
Quellen & Hinweise:
- Wikipedia: Dreiborner Hochfläche
- Nationalpark Eifel: Offizielle Website
- Tourismusbüro: Nordeifel Tourismus GmbH
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